MBA-Sportdirektor Nándor Kovács: „Wir sind alle Basketball-Verrückte“

Sportdirektor Nándor Kovacs will die MBA langfristig weiterentwickeln. Foto: MBA

Nándor Kovács sitzt in einem Café mit hohen Fensterbögen im Leipziger Westen. Draußen hält der Winter die Stadt im Klammergriff, doch in ihm lodert ein Feuer. Es wäre maßlos untertrieben, Kovács als Basketball-Enthusiasten zu beschreiben. Der 44-Jährige atmet Basketball – als Spieler, Trainer und Talent-Entwickler. Seit dem 1. Januar hat der gebürtige Leipziger eine neue, große Aufgabe: Sportdirektor der Mitteldeutschen Basketball Academy (MBA).

In sein neues Amt bringt der diplomierte Sportwissenschaftler und Inhaber der Trainer-A-Lizenz einen gewaltigen Erfahrungsschatz mit. Als Spieler prägte er über viele Jahre den BBV Leipzig Eagles, stand bis zuletzt in der Bezirksliga auf dem Feld. 2008 sammelte er erste Erfahrungen als Co-Trainer des Frauen-Erstligisten seines Heimatklubs, übernahm dann nach einer langen Niederlagenserie das Amt des Cheftrainers und feierte mit dem Team am letzten Spieltag den Klassenerhalt. Später arbeitete er als Trainer des Männer-Regionalligisten Aschersleben Tigers. Auch als Landesverbandstrainer und Coach der Nachwuchs-Bundesligateams des Mitteldeutschen BC hinterließ er bleibenden Eindruck. Im Interview erzählt Kovács von seiner Basketball-Leidenschaft, von besonderen Herausforderungen und davon, welche Ideen und Ziele er für die MBA verfolgt.

Wie fing die Liebesgeschichte zwischen Nándor und dem Basketball an?
Nándor Kovács: Ich hatte zuvor schon viele andere Sportarten ausprobiert: Judo, Ballett, Ringen, Wasserball, Fußball und auch Leichtathletik. Da haben wir während der Hallensaison schon ab und an Basketball gespielt. Später habe ich dann auf einem Freiplatz bei mir um die Ecke erste Versuche gewagt. Richtig gezündet hat es, als mich ein Freund 1995 zu einem Streetball-Turnier mitgenommen hat. Ab da wollte ich mehr! Ich war in kürzester Zeit besessen von diesem Sport, habe mir Videos angeschaut, wie ich meine Sprungkraft verbessern, wie ich Muskelmasse aufbauen, wie ich ein besserer Basketballer werden kann. Ich hatte dann beim BBV Leipzig Eagles eine richtig gute Zeit. Zu Beginn meines Sportwissenschaftsstudiums im Jahr 2002 wollte ich mich Richtung Profikarriere orientieren und bin an ein College in die USA gewechselt.

Es hat dann nicht für ganz oben gereicht. Beschäftigt dich das noch?
Kovács: Nicht mehr. Ich denke schon, dass ich es als Profi hätte schaffen können, wenn ich woanders hingegangen wäre, etwa an die Sportschule in Halle oder Chemnitz. Aber ich bin damit im Reinen. Ich hatte eine grandiose Zeit, war bei den Eagles mehrmals Topscorer der Zweiten Regionalliga und konnte meine Basketball-Leidenschaft zudem als Trainer ausleben.

Seit dem 1. Januar bist du Sportdirektor der MBA. Bei deiner Vorstellung sagtest du: Es fühlt sich an wie nach Hause kommen. Wie waren die ersten Tage daheim?
Kovács: Sehr intensiv. Es war wichtig, dass jemand die Position des Sportdirektors in Vollzeit übernimmt. Und nun versuche ich, diese Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen. Für mich war es tatsächlich wie ein Nach-Hause-Kommen. Ich habe ganz viele Menschen wieder getroffen, mit denen ich mich schon früher gut verstanden habe, und bin froh, mit ihnen wieder zusammenarbeiten zu dürfen. Wir sind alle Basketball-Verrückte, unsere Herzen brennen für diesen Sport, und wir alle sind gewillt, dieses Projekt weiterzuentwickeln. Mein Ankommen wird sich aber sicherlich noch ein wenig hinziehen. Ich vermute, dass es bis zum Sommer dauern kann, bis ich sagen kann: Ich habe das im Griff. Wir wussten alle bei den Vorgesprächen, dass es nicht einfach und ein längerfristig angelegter Prozess sein wird. Ich erfahre glücklicherweise eine unglaublich große Unterstützung von all meinen Kollegen in der MBA und bei den Vereinen. Das Netzwerk ist sehr stabil.

Wofür bist du als Sportdirektor zuständig?
Kovács: Meine Aufgaben ergeben sich aus der Gesellschafterstruktur, zu der neben der MBM Marketing GmbH als Lizenznehmer für die beiden Erstliga-Teams des SYNTAINICS MBC auch der Basketball-Verband Sachsen-Anhalt und der Förderverein für weiblichen Nachwuchsleistungssport aus Halle zählen. Das bedeutet, dass ich zum einen die Spitzenpyramide betreue, also den Bereich, wo die Talente einmal ankommen sollen, nämlich in Central European Youth Basketball League (CEYBL), Jugend-Basketball-Bundesliga (JBBL), Weibliche Nachwuchs-Basketball-Bundesliga (WNBL) und Nachwuchs-Basketball-Bundesliga (NBBL). Zum anderen bin ich Ansprechpartner für die Talentförderung in den Vereinen, die ja letztlich die Landesauswahlen bis zur U14 bilden und zu diesem höheren Niveau hinführen.

Was sind für dich aktuell die drängendsten Aufgaben?
Kovács: Zunächst einmal ist das die Aufarbeitung von liegen gebliebenen Sachen, und das ist nicht gerade wenig, da die Position des Sportdirektors zwei Jahre lang nicht hauptamtlich besetzt war. In der Vergangenheit musste alles kommissarisch bearbeitet werden. Da haben sich Menschen neben ihren Full-Time-Jobs reingekniet und mussten zwangsläufig priorisieren. Ich bin gerade dabei aufzuholen, arbeite mich in Prozesse ein, suche den Kontakt zu Schulen und Partnervereinen, immer mit den Fragen im Hinterkopf: Was brauchen sie? Wie können wir sie unterstützen? Was ist uns wichtig? Ich versuche also, Netzwerke zu reaktivieren, zu stabilisieren und zu erweitern. Daneben gibt es viele weitere Themen. Wir haben aktuell kein NBBL-Team, da geht es darum, den Blick auf die Qualifikation im Juni zu richten. Wir wollen unsere Jugendteams verstärken und den Trainern Unterstützung an die Hand geben. Wir überlegen auch, wie wir die Situation an der Sportschule optimieren können, auch in puncto Begleitung. Die jungen Jahrgänge haben nur zweimal die Woche Training, da würde ich gerne vier Stunden pro Woche daraus machen, was aber nicht einfach ist, weil es da auch um Schulgesetze geht. Das ist etwas völlig anderes, als mit dem SYNTAINICS MBC Dinge auszumachen. Ich hoffe und glaube aber, dass sich meine Tätigkeit schon leicht bemerkbar macht, dass ich das eine oder andere bereits an mich reiße. Trotzdem brauche ich noch Zeit.

Das Besondere an der MBA ist ja, dass sie kein lokales, sondern ein regionales Projekt ist. Die Spieler kommen aus verschiedenen mitteldeutschen Vereinen. Welche Schwierigkeiten birgt das und worin liegen die Chancen?
Kovács: Eine Schwierigkeit ist die Landesgrenze, denn da hört die jeweilige Förderung auf. Jeder Landessportbund finanziert letztlich nur die Vereine in seinem Land. Die MBA versucht, ein Bindeglied zu sein und über Ländergrenzen hinweg sportlich sinnvolle Dinge zu tun, die in kooperativen Systemen dazu führen, dass sich der Basketball in Mitteldeutschland weiterentwickelt. Und darum geht es. Ich bin nicht der Sachse, der Sachsen-Anhalter oder der Thüringer, sondern ich bin Basketballer. Ich weiß mittlerweile, was nötig ist, um den Weg nach oben zu schaffen. In unserer Region kommen wir gar nicht darum herum, uns zu vernetzen. Sonst werden wir es niemals schaffen, auf das Level von anderen Standorten zu kommen. Wenn wir zum Beispiel das Bundesland Berlin mit Sachsen vergleichen: Da haben wir die gleiche Einwohnerzahl, aber auf einer ganz anderen Fläche verteilt. Es ist etwas anderes, ob ich als Spieler mit der S-Bahn hin- und herfahren kann oder ob ich etwa von Plauen nach Chemnitz muss und sehr lange in einem Zug sitze, der zudem nicht so häufig fährt. Der Aufwand ist enorm, die Alternativen sind Internat oder Umzug. Trotzdem glaube ich, dass man das mit ein wenig Kreativität hinbekommen kann. Es gibt ja schon jetzt einen Austausch von Spielern, etwa mit Sachsen und Thüringen über die Mitteldeutsche Auswahl. Die Frage ist: Wie entwickeln wir das weiter, um noch größer zu denken? Wir haben eben nicht den einen Standort wie andere, sondern dieses Konstrukt, was ja auch spannend ist.

Wirkt sich die Euphorie um die Basketball-Nationalmannschaft, die 2023 Weltmeister wurde und bei den Olympischen Spielen 2024 ins Halbfinale kam, auch in der Region aus?
Kovács: Ich hatte das Glück, bei Sitzungen des Landesverbandes dabei zu sein. Man sieht Tendenzen, dass sich auch im ländlichen Raum etwas bewegt. Vereine eröffnen Basketballabteilungen oder melden mehr Teams an, manchmal gründen sich auch gleich Basketballvereine. Die Euphorie ist also schon zu spüren. Auf der anderen Seite würde ich mir da noch deutlich mehr wünschen. Wenn Deutschland Fußball-Weltmeister wird, hat das natürlich eine ganz andere Dynamik, was auch mit der medialen Präsenz und den Strategien zu tun hat, die die Verbände fahren. In der Halbzeitpause des Basketball-WM-Finales gegen Serbien verkündete der Deutsche Fußball Bund den Rauswurf des Bundestrainers. Es ist dann klar, dass sich in den Sozialen Medien der Fokus eher darauf richtet, weil Fußball nun mal omnipräsent ist. Ich empfand diese Entscheidung als sehr unglücklich gewählt und hätte mir gewünscht, dass man mehr Rücksicht auf andere Sportarten nimmt. Letztlich sind wir aber natürlich Konkurrenten.

Die männliche U16 ist aktuell das Aushängeschild der MBA und hat sich bereits jetzt zum dritten Mal nacheinander für die JBBL-Playoffs qualifiziert. Was sind die Gründe für den Erfolg?
Kovács: Ein großer Faktor ist die kontinuierliche Betreuung durch Darren Stackhouse, der unglaublich viel Erfahrung einbringt und ein richtiges Arbeitstier ist. Er macht wahnsinnig viel für uns. Ich bin froh, dass er da ist und freue mich auf die langfristige Zusammenarbeit mit ihm, um die MBA gemeinsam weiterzuentwickeln. Wenn ein Trainer länger ein Projekt begleiten kann, ist das immer ein Vorteil. In seinem Fall bildet er nicht nur Spieler aus, er betreut sie dann zum Teil auch später in den Erwachsenenteams wie derzeit bei unserem Kooperationspartner USC Leipzig. Meine Rolle wird die des Unterstützers sein.

Die weibliche U18 kämpft hingegen auch diese Saison gegen den Abstieg, die männliche U19 verpasste im vergangenen Sommer gegen extrem harte Konkurrenz die Qualifikation für die NBBL. Welche Schritte sind notwendig, um die sportliche Perspektive auch für diese Teams zu verbessern?
Kovács: Was die NBBL betrifft, haben wir eine Strategie, die wir konsequent weiterverfolgen werden. Wir sind bereits auf einem guten Weg und werden in der nächsten Qualifikation noch stärker aufgestellt sein. Was wir nicht beeinflussen können, ist natürlich die Konkurrenz. Im vergangenen Sommer schickte der NBBL-Meister Vechta einen Mix aus Spielern seines Meisterteams und aus sehr guten nachfolgenden Jahrgängen in die Qualifikation, um ein zweites Team in die NBBL zu hieven. Dieser Situation müssen wir uns stellen. Wir hatten es ja trotzdem fast geschafft und verloren gegen Vechta nur knapp. Beim WNBL-Team muss man die Personalsituation betrachten: Wenn man kurz vor Saisonbeginn die wichtigste Centerin verliert, weil sie ins Ausland geht, und die anderen beiden Topspielerinnen leider oft verletzt ausfallen, dann ist es schwer zu bestehen, zumal einfach die Tiefe im Kader fehlt. Wir bekommen zwar schon Spielerinnen dazu, aber die müssen sich erst an dieses Niveau gewöhnen. Wir planen aktuell beides, also den Klassenerhalt über den normalen Spielbetrieb und über die Qualifikation. In der WNBL drin zu bleiben, ist leichter, als wieder reinzukommen.

Ist es eine Option, Spielerinnen von außerhalb der Region zu rekrutieren?
Kovács: Das ist auf jeden Fall ein Thema, aber es ist einfach sehr schwer, passende Spielerinnen zu finden. Ein Import müsste die Qualität haben, um perspektivisch auch im Bundesliga-Team des SYNTAINICS MBC zu spielen. Solche Spielerinnen gibt es weltweit nicht viele, und die Konkurrenz durch andere Klubs ist riesig. Der andere Weg ist, jüngere Spielerinnen zu finden, die sich über den Weg Sportschule vorstellen könnten, einige Jahre zu investieren, um es dann in die Bundesliga zu schaffen. Wir schauen uns da um, machen Eignungstests. Letztlich ist die Entwicklung dann aber unvorhersehbar. Verletzungen können dazwischenkommen, Meinungen können sich ändern. Wer sich für Leistungssport entscheidet, gibt ganz viel Freizeit auf, um in der Halle zu stehen. Man trainiert sich kaputt, während Gleichaltrige Party-Bilder posten. Das ist für viele schwer zu akzeptieren. Zudem haben Mädchen eine ganz andere Perspektive als Jungs. Wenn ein Junge das Talent hat, um es in der Bundesliga oder gar der NBA zu packen, kann er unheimlich viel verdienen. Dagegen müssen im Frauen-Basketball selbst Olympia-Teilnehmerinnen darüber nachdenken, wie sie nach der Karriere ihren Lebensunterhalt verdienen können. In der Hinsicht bin ich glücklich, dass Caitlin Clark in der WNBA aktuell für einen Hype sorgt, der die Liga vorwärts bringt, auch wenn sie unglaublich viel Neid und Missgunst erfährt. Wir brauchen für die Mädchen noch mehr weibliche Vorbilder wie sie. Und wir brauchen Spielerinnen, die dafür brennen, das Trikot mit dem Bundesadler zu tragen. Auf mitteldeutscher Ebene sehe ich, wie es vorwärts geht: Wir hatten am vergangenen Wochenende in Halle den Mitteldeutschen Mädchentag der Jahrgänge 2010 bis 2012 mit über 70 Spielerinnen, die sich vor den Augen von drei Bundestrainern beweisen durften.

Was ist für dich das Herausragende an deinem Job?
Kovács: Ich kann mein geliebtes Hobby zum Beruf zu machen. Dass ich das in der Region tun kann und mit Kollegen zusammenarbeiten darf, die Basketball so lieben wie ich, macht aus der Stelle fast einen Traumjob.

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