Ambrosia Anderson-Bär: Eine Kosmopolitin bereichert die MBA

Nach einer schillernden Karriere will Ambrosia Anderson-Bär ihre Erfahrung an die MBA-Talente weitergeben. Foto: MBA

Plötzlich stand da diese Frau in der Halle. Großgewachsen, athletisch, einnehmendes Wesen. Die Spielerinnen der U18 der Mitteldeutschen Basketball Academy blickten sie aufmerksam, aber auch etwas unschlüssig an.

„Ich glaube, sie hatten keine Ahnung davon, wer ich bin“, sagt Ambrosia Anderson-Bär rückblickend und lächelt dabei. Vielleicht war es auch besser so. Im Englischen gibt es ein schönes Wort dafür, wenn einen die Bewunderung für eine andere Person überwältigt: Starstruck. Und wenn man sich mit der Vita der Amerikanerin befasst, kann es einer jungen Basketballerin schon mal die Sprache verschlagen.

2006 wurde die Flügelspielerin von Detroit Shock in der zweiten Runde gedraftet und spielte anschließend einige Partien für New York Liberty und Connecticut Sun in der WNBA, ehe sie in Europa eine schillernde Karriere hinlegte. All das wussten die MBA-Spielerinnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und so ergab sich ein ungezwungenes Kennenlernen mit der neuen Co-Trainerin. „Zwei- bis dreimal pro Woche bin ich beim Training dabei und versuche, den Mädchen bei ihrer Entwicklung als Basketballerinnen zu helfen“, sagt Anderson-Bär. „Sie sind sehr lernwillig und mit großem Eifer bei der Sache. Mir macht die Aufgabe riesigen Spaß.“ Auch MBA-Cheftrainer Stijn van Duijn genießt die Zusammenarbeit. „Sie ist wie ich ein Basketball-Junkie. Sie lebt und atmet Basketball und passt perfekt zu uns“, sagt der Niederländer. „Als ehemalige Spielerin bringt sie auch eine andere Perspektive ein, die ich nicht bieten kann. Sie war sportlich gewissermaßen auf dem Gipfel des Mount Everest. Wenn sie etwas sagt, hat das auf die Spielerinnen noch einmal eine andere Wirkung, als wenn ich das tue.“

Dass die 40-Jährige in Mitteldeutschland gelandet ist, hat in erster Linie mit Romy Bär zu tun, der Kapitänin des Basketball-Bundesligisten SYNTAINICS MBC. Die 93-malige deutsche Nationalspielerin und die Amerikanerin lernten einander 2015 in Nizza kennen, als sie gemeinsam für den dort ansässigen Erstligisten und Eurocup-Teilnehmer aufliefen. Nach wenigen Monaten wurden sie ein Liebespaar. Nur sportlich trennten sich ihre Wege immer wieder. „Ich wollte in Romys Nähe sein und zugleich weiter auf dem höchstmöglichen Niveau spielen“, beschreibt Anderson-Bär den schwierigen Spagat zwischen Privatem und Beruflichem. Zur Saison 2017/18 wechselte die aus Chemnitz stammende Romy Bär nach Montpellier in den Süden Frankreichs, während Anderson für Nantes spielte, über 800 Autobahnkilometer entfernt. Nach einem gemeinsamen Sommer in Australien unterschrieb Bär zur Saison 2018/19 in Lille, Anderson schloss sich dem belgischen Erstligisten Antwerpen an. Die deutlich geringere Distanz zwischen diesen beiden Städten war ein Hauptgrund für ihre Entscheidung.

Man könnte sagen, Anderson war schon immer eine moderne Vagabundin. Geboren wurde sie in Alaska, dem am dünnsten besiedelten US-Bundesstaat, der nordwestlich von Kanada liegt und vor allem für seine betörenden Landschaften und unberührte Natur bekannt ist. Doch schon mit vier Jahren siedelte ihre Familie nach Hawaii über. Die kleine Ambrosia galt früh als Bewegungstalent und probierte viele Sportarten aus, ehe sie beim Basketball landete. „Ich war acht, als ich damit angefangen habe. In meinem Team war ich lange Zeit das einzige Mädchen“, erzählt sie. Mit 13 wechselte sie auf eine Highschool nach Colorado, ehe sie ein Stipendium für die Brigham Young University im US-Bundesstaat Utah erhielt, wo sie nicht nur ihre Basketball-Karriere vorantrieb, sondern auch einen Studienabschluss in Geografischen Informationssystemen (GIS) erwarb.

Doch als sie sich in der WNBA nicht nachhaltig durchsetzen konnte, wagte sie den Sprung nach Europa. „Ich landete in Griechenland, und nach zwei Wochen wollte ich einfach nur weg, zurück nach Hause“, erinnert sich Anderson-Bär. „Das Verrückte ist: Ein Jahr später unterschrieb ich beim gleichen Verein.“ Diesmal fühlte sie sich reifer. Sie überwand den Kulturschock und reiste in ihrer Karriere quer durch Europa – von Griechenland nach Frankreich, von Portugal nach Tschechien. Insgesamt spielte sie in zehn Ländern. Wo es ihr am besten gefiel? „Die Zeit in Nizza mit Romy war sehr schön, aber auch zuvor die Jahre in Israel. Da hatte ich es nur zehn bis fünfzehn Minuten zum Meer.“

Ambrosia Anderson-Bär mit WNBL-Cheftrainer Stijn van Duijn. Foto: MBA

Erst 2020 verschlug es Anderson nach Deutschland, ins Heimatland ihrer Partnerin. Romy Bär spielte für die Rheinland Lions, Anderson für den Leverkusener Stadtteilklub BBZ Opladen. 2022 heirateten die beiden Basketballerinnen. „Ungefähr zu dieser Zeit konkretisierte sich auch der Wunsch, ein gemeinsames Kind zu haben“, blickt Anderson-Bär zurück. Im Herbst 2023 brachte Romy Bär Sohn Cody zur Welt, zehn Monate später nahm sie für die deutsche Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Paris teil. „Anfangs hatte Romy die harten Nächte, weil Cody sehr auf sie fixiert war. Ab April stieg Romy richtig intensiv in die Vorbereitung auf Olympia ein, da habe dann ich stärker die Betreuung von Cody übernommen“, verrät Anderson-Bär. Schon in seinen ersten Lebensmonaten kam der Sprössling dabei ganz schön herum. „Wir waren beim Vier-Nationen-Turnier des DBB-Teams in Polen mit dabei und dann natürlich auch bei Olympia.“

In Halle hat sich die kleine Familie, zu der auch Hündin Luna gehört, prächtig eingelebt. „Der Übergang war sehr geschmeidig, wir haben einen Kitaplatz und ein Apartment gefunden und können viele Wege zu Fuß gehen“, sagt Anderson-Bär. Dass sie eine Rolle beim WNBL-Team einnehmen würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplant. „Ich hatte während meiner Zeit in Leverkusen für eine Firma im Digitalen Marketing gearbeitet und konnte mir vorstellen, hier etwas Ähnliches zu machen. Aber auch der soziale Bereich reizt mich, etwa die Arbeit mit Behinderten oder Kindern im Kindergartenalter“, verrät sie. Erst ein Treffen mit van Duijn brachte die Idee hervor, nebenbei als Assistenztrainerin zu arbeiten. An der Highschool hatte sie einst schon einmal ins Coaching hineingeschnuppert. Nun möchte sie ihren gewaltigen Erfahrungsschatz weitergeben. Für die Zukunft sieht sie die MBA bestens aufgestellt. „Das Programm ist in exzellenten Händen, denn hier arbeiten viele kluge Köpfe. Wichtig ist, dass wir die MBA noch bekannter machen und Leistungsbereitschaft sowie den Erfolgshunger immer tiefer verankern. Es wäre großartig, wenn wir auch von außerhalb Spielerinnen für uns gewinnen können, die langfristig Teil dieses Programms sein wollen“, sagt Ambrosia-Bär. Dass in dieser Saison bis dato noch kein Sieg gelang, schreckt sie nicht ab. „Wir befinden uns in einer Aufbauphase mit einem jungen Team. Ich sehe noch viel Entwicklungspotenzial.“

Die einstige Weltenbummlerin kann sich gut vorstellen, in Mitteldeutschland sesshaft zu werden: „Der Basketball hat mir so viele Türen geöffnet und Erlebnisse beschert. Nun ist es unser Ziel als kleine Familie, hier heimisch zu werden.“ Für den SYNTAINICS MBC und die MBA ist das nichts weniger als ein Glücksfall.

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